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Hitzefrei am Arbeitsplatz: Hitze-Alarm oder realistische Option?

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Jahr für Jahr steigen die Temperaturen in den Sommermonaten auf neue Rekordwerte. Was früher als Ausnahme galt, ist mittlerweile zur Regel geworden: Hitzewellen mit über 30 Grad Celsius an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen belasten nicht nur den Kreislauf, sondern auch das Arbeitsleben. Während Schülerinnen und Schüler beim Stichwort „Hitzefrei“ an verkürzten Unterricht und freie Nachmittage denken, stellt sich für Beschäftigte die Frage, ob es ein vergleichbares Konzept auch im Berufsalltag gibt. Die Vorstellung, bei unerträglicher Hitze früher nach Hause gehen zu dürfen oder sogar ganz freigestellt zu werden, klingt verlockend – doch was sagt das Arbeitsrecht dazu? Zwischen gesetzlich geregelten Pflichten, betrieblichen Spielräumen und realen Belastungen entfaltet sich eine Debatte, die durch den Klimawandel zunehmend Dringlichkeit gewinnt.

Rechtlicher Rahmen: Was das Arbeitsrecht wirklich vorsieht

Im deutschen Arbeitsrecht existiert kein ausdrücklich verbrieftes „Recht auf Hitzefrei“. Dennoch gibt es klare gesetzliche Vorgaben, die den Schutz von Beschäftigten bei hohen Temperaturen betreffen. Die maßgebliche Grundlage bildet die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) in Verbindung mit den Technischen Regeln für Arbeitsstätten, insbesondere der ASR A3.5 „Raumtemperatur“. Darin ist festgelegt, dass die Lufttemperatur in Arbeitsräumen 26 Grad Celsius möglichst nicht übersteigen sollte. Wird dieser Wert überschritten, ist der Arbeitgeber gehalten, Schutzmaßnahmen zu prüfen. Ab 30 Grad Celsius sind diese Maßnahmen verpflichtend – etwa das Bereitstellen von Trinkwasser, das Lockerung der Kleiderordnung oder flexible Arbeitszeiten. Ab einer Raumtemperatur von 35 Grad Celsius gilt der Arbeitsraum ohne besondere Vorkehrungen als ungeeignet für die berufliche Nutzung. Zwar bedeutet dies kein automatisches „Hitzefrei“, aber es setzt klare Grenzen, ab denen die Arbeitsbedingungen nicht mehr zumutbar sind.

Gesetzliche Temperaturgrenzen

„Ab 26 °C Raumtemperatur wird es kritisch – ab 30 °C muss der Arbeitgeber aktiv werden.“
Laut der Technischen Regel ASR A3.5 gilt: Bei über 26 °C sollen Schutzmaßnahmen geprüft werden, ab 30 °C sind sie verpflichtend. Ab 35 °C ist ein Raum ohne spezielle Schutzmaßnahmen nicht mehr als Arbeitsraum geeignet.

Pflichten des Arbeitgebers: Mehr als nur Ventilatoren

Arbeitgeber stehen in der Verantwortung, die Gesundheit der Mitarbeitenden zu schützen. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz. Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung sind Arbeitsplätze auf klimatische Belastungen hin zu prüfen, insbesondere bei Tätigkeiten in schlecht belüfteten Räumen oder bei direkter Sonneneinstrahlung. Reagiert der Arbeitgeber nicht angemessen, können arbeitsrechtliche Konsequenzen drohen. Welche konkreten Maßnahmen getroffen werden, bleibt dem jeweiligen Betrieb überlassen – von kürzeren Arbeitszeiten bis zu organisatorischen Änderungen. Ein Recht auf bezahltes Fernbleiben gibt es hingegen nicht ohne Weiteres.

Trinken ist Pflicht – nicht Kür!

„Der Arbeitgeber muss bei großer Hitze kostenlose Getränke zur Verfügung stellen.“
Ab etwa 30 °C Raumtemperatur kann das Bereitstellen von Trinkwasser zur Pflicht werden – vor allem bei körperlicher Belastung oder schlechter Luftzirkulation. Das ergibt sich aus dem Arbeitsschutzgesetz in Verbindung mit der Fürsorgepflicht.

Praktische Schutzmaßnahmen: Spielraum für mehr Anpassung

In der Praxis zeigen viele Unternehmen Bereitschaft, die Arbeitssituation im Sommer zu verbessern. Besonders verbreitet ist der frühere Arbeitsbeginn, um die Mittagshitze zu umgehen. Auch die Möglichkeit, von zu Hause aus zu arbeiten, wird in heißen Zeiten häufiger genutzt. Zusätzlich kommen technische Lösungen zum Einsatz – etwa Sonnenschutzsysteme, mobile Lüfter oder spezielle Fensterfolien. Ziel ist es, die Belastung spürbar zu verringern und gesundheitliche Beschwerden zu verhindern. In manchen Unternehmen wurden bereits innerbetriebliche Vereinbarungen getroffen, die Sonderregelungen für extrem warme Tage vorsehen – etwa durch angepasste Arbeitszeiten oder zusätzliche Ruhephasen.

Hitzefrei am Arbeitsplatz

Hitze als gesundheitliches Risiko

Große Wärme ist nicht nur unangenehm, sondern kann ernsthafte gesundheitliche Probleme verursachen. Konzentrationsschwächen, Erschöpfungszustände, Kreislaufzusammenbrüche und sogar Hitzeschläge gehören zu den möglichen Folgen. Der Körper reagiert mit Schweißproduktion und erhöhter Durchblutung, um sich abzukühlen – das kostet Energie. Besonders bei älteren Menschen oder Personen mit Vorerkrankungen kann dies schnell gefährlich werden. In Berufen mit körperlicher Beanspruchung, etwa im Baugewerbe oder in der Logistik, kommt es zu einer zusätzlichen Belastung durch Sonneneinstrahlung, Arbeitskleidung und begrenzte Pausenzeiten. Hier ist gezielter Schutz unerlässlich.

Branchenspezifische Unterschiede: Arbeit unter verschiedenen Bedingungen

Ob und wie Maßnahmen bei Hitze greifen, hängt stark vom jeweiligen Tätigkeitsfeld ab. In Büros lassen sich Räume vergleichsweise leicht abdunkeln oder belüften. In Großküchen, Werkhallen oder im Außendienst hingegen sind solche Anpassungen schwieriger. Menschen, die dort arbeiten, sind oft stundenlang Temperaturen ausgesetzt, die jenseits des Erträglichen liegen. Umso wichtiger sind spezielle Lösungen, etwa rotierende Einsatzpläne, bauliche Anpassungen oder schattige Rückzugsorte für Pausen. In manchen Bereichen ist sogar arbeitsmedizinische Beratung hilfreich – beispielsweise durch den Einsatz von kühlender Kleidung oder regelmäßige Flüssigkeitszufuhr durch Betriebsvereinbarung geregelt.

Flexible Arbeitszeiten als Hitzeschutz

„Früh anfangen, früh gehen: Gleitzeit hilft gegen Mittagshitze.“
Viele Unternehmen setzen bei Hitze auf Arbeitszeitverlagerung, um die heißesten Stunden zu meiden. Frühschichten oder Homeoffice können effektiv vor Hitzebelastung schützen – und erhöhen oft sogar die Produktivität.

Veränderte Wahrnehmung: Hitzeschutz als Bestandteil moderner Arbeitsgestaltung

Die Debatte über hohe Temperaturen im Arbeitsleben ist nicht neu, wird aber zunehmend relevanter. Die Zeiten, in denen sommerliche Hitze als Ausnahmeerscheinung galt, sind vorbei. Unternehmen erkennen immer stärker, dass gesundes Arbeiten bei warmem Wetter nicht nur wünschenswert, sondern notwendig ist. Betriebe, die heute in mobile Arbeitsmodelle, moderne Klimatechnik und vorbeugende Maßnahmen investieren, sind langfristig besser aufgestellt. Gewerkschaften und Interessenvertretungen setzen sich verstärkt für verbindliche Vorgaben ein. Denkbar sind künftig unternehmensübergreifende Hitzeschutzpläne oder tarifliche Regelungen für heiße Tage – ein Schritt, der vielen Beschäftigten zugutekommen würde.

Fazit: Wunschbild mit wachsender Wahrscheinlichkeit

Ein offizielles „Hitzefrei“ wie im Schulalltag gibt es bislang nicht. Doch die rechtlichen Vorgaben und die zunehmende Sensibilisierung in vielen Betrieben eröffnen neue Spielräume. Das Thema rückt näher an die betriebliche Realität heran. Wer heute auf Anpassung setzt – sei es durch flexible Arbeitszeiten, technische Maßnahmen oder individuelle Schutzregelungen – reagiert nicht nur angemessen auf den Klimawandel, sondern gestaltet Arbeitsbedingungen, die menschlich und verantwortungsvoll sind. Die Grenzen zwischen Ideal und umsetzbarer Wirklichkeit werden fließender. Mit wachsender Temperatur steigt auch die Bereitschaft, neue Wege im Umgang mit Sommerhitze zu gehen.

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