Schimmel in Innenräumen gilt vielen noch immer als Randerscheinung. Gerade in modernen Arbeitsstätten zeigt sich das Problem immer häufiger hinter abgehängten Decken, in Akustikpaneelen oder an unscheinbaren Wärmebrücken. Ein verstärkter Fokus auf Energieersparnis, luftdichte Gebäudehüllen und eine dichte Belegung pro Quadratmeter bewirken, dass Feuchte nur langsam abtrocknet. Schimmelpilze nutzen solche mikroklimatischen Nischen, setzen Sporen frei und geben Stoffwechselprodukte ab, die Atemwege reizen.
Die gesundheitliche Relevanz reicht von kurzfristigen Irritationen bis zu chronischen Atemwegserkrankungen. Gleichzeitig verpflichtet das Arbeitsrecht Arbeitgebende, sichere Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Fachkundiges Wissen über Ursachen, Risiken, gesetzliche Vorgaben und wirksame Gegenmaßnahmen bildet deshalb die Grundlage für einen verantwortungsvollen Umgang mit Schimmel in Betrieben.
Schimmel als unterschätztes Gesundheitsrisiko in Arbeitsräumen
Obwohl Wasserschäden oder bauliche Mängel als klassische Auslöser gelten, entsteht ein großer Teil der Schimmelbefälle durch alltägliche Feuchteeinträge, die nicht konsequent abgeführt werden. Schon eine dauerhaft erhöhte Luftfeuchte vergrößert das Risiko erheblich. Fachinstitutionen wie das Umweltbundesamt empfehlen, die relative Feuchte langfristig unter 65 Prozent zu halten, um mikrobielles Wachstum zu unterbinden.
In Büros, in denen viele Menschen gleichzeitig tätig sind, steigt die Verdunstungsfeuchte rasch. Fehlende Lüftung oder eine zu geringe Luftwechselrate begünstigen Kondensatbildung auf kalten Oberflächen, sodass Schimmel unbemerkt wachsen kann. Anders als in Wohnräumen dienen in Arbeitsstätten zusätzlich Papierarchive, Teppiche oder Akustikdecken als Nährsubstrate für Pilzkolonien.
Fakt 1: 70 % aller Innenraumschimmel-Fälle sind auf falsches Lüftungsverhalten zurückzuführen.
Quelle: Umweltbundesamt
Das zeigt: Selbst in modernen Bürogebäuden kann durch unzureichendes oder falsches Lüften (z. B. gekippte Fenster statt Stoßlüftung) Schimmel entstehen – ganz ohne bauliche Mängel.
Ursachen und Entstehungsbedingungen von Schimmelbefall
Bauliche Schwachstellen und thermische Brücken
Unzureichend gedämmte Anschlussfugen, Stahlbetonstützen in Leichtbauwänden oder nachträgliche Leitungsdurchführungen verursachen lokale Temperaturabfälle. Treffen warme Raumluft und kalte Bauteiloberflächen aufeinander, kondensiert Wasser und schafft ein ideales Milieu für Pilzsporen.
Feuchteeintrag durch Nutzung und Prozesse
Druckerabwärme, Reinigungsarbeiten mit Wasser, Topfpflanzen oder offene Aquarien erhöhen das Raumklima. In Küchenbereichen und Sanitärzonen gelangt Wasserdampf außerdem in angrenzende Arbeitsräume, sofern kein getrenntes Lüftungskonzept existiert.
Klima- und Lüftungsverhalten
Langes Kipplüften in der kalten Jahreszeit kühlt Bauteile aus. Das anschließend nachströmende, oftmals feuchte Raumklima trocknet nicht rasch genug ab. Regelmäßige Stoßlüftung oder bedarfsgesteuerte Anlagen senken das Risiko merklich, erfordern aber Einweisung und Wartung.
Gesundheitliche Auswirkungen
Akute Symptome und Irritationen
Reizungen der Schleimhäute, gerötete Augen oder Kopfschmerzen treten häufig bereits bei moderater Sporenkonzentration auf. Empfindliche Personen klagen darüber hinaus über Husten, Schnupfen und asthmatische Beschwerden.
Langfristige gesundheitliche Risiken
Eine dauerhafte Belastung mit Schimmelsporen fördert die Sensibilisierung des Immunsystems, was zu chronischen Allergien oder Asthma führen kann. Bestimmte Arten produzieren zudem Mykotoxine, die in Einzelfällen neurotoxische oder entzündungsfördernde Effekte besitzen.
Risikogruppen im Arbeitsumfeld
Besonders gefährdet sind Menschen mit bestehenden Atemwegserkrankungen, geschwächter Immunabwehr oder höherem Alter sowie Schwangere. Bei ihnen reichen bereits geringe Konzentrationen, um deutliche Beschwerden auszulösen. Präventive Maßnahmen haben hier Vorrang.
Fakt 2: Schimmel kann schon bei einer Raumluftfeuchtigkeit ab 60 % wachsen.
Praxisbezug: Viele Büroräume haben dauerhaft zu hohe Luftfeuchtigkeit, insbesondere bei hoher Belegung oder schlechter Lüftung. Ein Hygrometer zur Feuchtigkeitskontrolle kann helfen, rechtzeitig gegenzusteuern.
Rechtlicher Rahmen
Arbeitgeberpflichten gemäß Arbeitsstätten- und Arbeitsschutzrecht
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Unternehmen, Belastungen systematisch zu bewerten (§ 5 ArbSchG) und geeignete Schritte abzuleiten. Tritt Schimmel auf, muss die Gefährdungsbeurteilung aktualisiert, die Luftbelastung ermittelt und eine Sanierungsstrategie erarbeitet werden.
Handlungsmöglichkeiten der Beschäftigten
Besteht eine konkrete Gesundheitsgefährdung, kann nach § 618 BGB sowie § 275 BGB ein Zurückbehaltungsrecht an der Arbeitsleistung greifen, bis Abhilfe geschaffen wurde. Zuvor empfiehlt sich jedoch eine Meldung an die Fachkraft für Arbeitssicherheit und eine sorgfältige Dokumentation.
Erkennen und Bewerten von Schimmelschäden
Visuelle Indikatoren und Geruch
Dunkle oder grünliche Flecken an Außenwänden, Stockflecken auf Holz oder ein anhaltend muffiger Geruch deuten auf Schimmelbefall hin. Selbst ohne sichtbaren Bewuchs können erhöhte Sporenkonzentrationen vorliegen, wenn Oberflächenfeuchtemessungen Werte über 80 Prozent anzeigen.
Messtechnische Untersuchungen
Luftkeimsammler, Partikelzähler oder DNA-basierte Schnelltests quantifizieren Sporenbelastungen. Kombiniert mit Langzeit-Hygrometrie entsteht ein präzises Bild der Situation, aus dem Sachverständige passgenaue Sanierungsschritte ableiten.
Gefährdungsbeurteilung und Dokumentation
Alle Erkenntnisse gehören in die betriebliche Unterlage. Bildmaterial, Messprotokolle sowie Probeberichte bilden die Basis für Entscheidungen über Raumschließungen oder die Verlagerung von Arbeitsplätzen.
Fakt 3: Beschäftigte haben das Recht, ihre Arbeit zu verweigern, wenn Schimmel die Gesundheit gefährdet (§ 275 BGB + § 618 BGB).
Das betrifft Fälle, in denen der Arbeitgeber trotz Meldung keine Maßnahmen ergreift. Vorher sollte jedoch unbedingt der Arbeitsschutz informiert und der Vorgang dokumentiert werden.
Maßnahmen zur Beseitigung und Sanierung
Sofortige Schutzmaßnahmen
Bei ausgedehntem Befall werden betroffene Räume abgedichtet, die Lüftung abgeschaltet oder mit HEPA-Filtern ergänzt. Arbeitsplätze lassen sich verlegen, bis die Belastung wieder Referenzwerte erreicht. Das Sanierungsteam trägt persönliche Schutzausrüstung.
Fachgerechte Sanierung durch qualifizierte Unternehmen
Befallenes Material wird entfernt, Oberflächen werden desinfiziert, und ein ausgewogener Feuchtehaushalt wird wiederhergestellt. Die Durchführung erfolgt nach anerkannten Regeln der Technik, etwa der DGUV-Information 201-028. Das Personal benötigt eine gültige Gefahrstoffschulung.
Abschlusskontrolle und Monitoring
Nach Abschluss der Arbeiten prüfen Sicht- und Luftproben das Ergebnis. Langzeit-Datenlogger zeichnen Feuchte und Temperatur auf, um die Wirksamkeit baulicher und organisatorischer Maßnahmen zu bestätigen.
Vorbeugung und nachhaltige Schimmelprophylaxe
Lüftungskonzepte und intelligente Gebäudetechnik
Bedarfsgesteuerte Systeme mit CO2– sowie Feuchtesensoren sorgen für ausreichenden Luftaustausch, ohne unnötig Wärme zu verlieren. In Bestandsgebäuden unterstützen Fenster-Kippüberwachung und Hygrometer die Nutzerführung.
Baulicher Feuchteschutz und Instandhaltung
Regelmäßige Wartungsarbeiten an Dachabdichtungen, Fensteranschlüssen und Klimaanlagen senken unerwünschten Wassereintrag. Dämmmaßnahmen reduzieren Temperaturunterschiede an kritischen Bauteilen und mindern Kondensation.
Organisatorische und verhaltensbezogene Prävention
Unterweisungen vermitteln Grundlagen des richtigen Lüftens und das rasche Erkennen früher Warnzeichen. Ein unkompliziertes Meldesystem stellt sicher, dass Feuchteschäden sofort erfasst und behoben werden.
Fazit
Schimmelbefall am Arbeitsplatz vereint bautechnische, organisatorische sowie gesundheitliche Aspekte. Eine durchdachte Prävention setzt beim Feuchtemanagement an. Kommt es dennoch zum Befall, entscheiden zügige Risikoanalyse und fachgerechte Sanierung über den Schutz der Mitarbeitenden und den Erhalt der Immobilie. Langfristig bewährt sich ein integriertes Raumklimasystem, das sensible Messtechnik, regelmäßige Instandhaltung und klare Verantwortlichkeiten verbindet. So lassen sich gesundheitliche Gefahren minimieren und produktive Arbeitsbedingungen sichern.