Auf deutschen Baustellen herrscht reger Betrieb: Bagger rollen an, Gerüste werden aufgestellt, zahlreiche Gewerke arbeiten zeitgleich auf engem Raum. Wo viele Menschen unter Zeitdruck zusammenkommen, entstehen unweigerlich Risiken. Unfälle, Störungen im Ablauf und chaotische Zustände sind keine Seltenheit. Genau an diesem neuralgischen Punkt setzt der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator – kurz SiGeKo – an. Er sorgt dafür, dass komplexe Bauvorhaben nicht nur strukturiert, sondern vor allem sicher umgesetzt werden können.
Ob Hochhausbau, Brückenprojekt oder Sanierungsmaßnahme im Bestand – überall dort, wo mehrere Unternehmen auf einer Baustelle tätig sind, ist der SiGeKo gesetzlich vorgeschrieben. Seine Rolle ist nicht nur beratend, sondern tief in die Abläufe von Planung und Umsetzung eingebettet. Der Koordinator denkt Gefährdungen voraus, erkennt Schwachstellen im Bauablauf frühzeitig und sorgt für klare Absprachen zwischen den Beteiligten. Mit der wachsenden Komplexität heutiger Bauprojekte und den steigenden rechtlichen Anforderungen gewinnt der SiGeKo zunehmend an Gewicht.
Fakt 1: Wussten Sie schon? – Koordinatorpflicht ab 2 Unternehmen
Sobald auf einer Baustelle mehr als ein Unternehmen tätig ist, muss laut Baustellenverordnung ein SiGeKo bestellt werden – unabhängig von der Projektgröße. Selbst bei kleineren Bauvorhaben greift diese Pflicht bereits bei der Beauftragung von z. B. einem Elektriker und einem Maler gleichzeitig.
Gesetzliche Grundlage und Ursprung der SiGeKo-Pflicht
Die Verpflichtung zur Bestellung eines SiGeKo ergibt sich aus der Baustellenverordnung (BaustellV), die seit 1998 in Deutschland in Kraft ist. Sie schreibt vor, dass Bauherren bei bestimmten Vorhaben eine fachkundige Person benennen müssen, die während der Planung und Ausführung sicherheitsrelevante Themen koordiniert. Ziel ist es, Arbeitsunfälle zu verhindern und Gesundheitsrisiken auf Baustellen so gering wie möglich zu halten.
Die BaustellV ergänzt das Arbeitsschutzgesetz und setzt die europäische Richtlinie 92/57/EWG in nationales Recht um. Dabei wird zwischen der Planungs- und der Ausführungsphase unterschieden – in beiden Abschnitten ist die Beteiligung des SiGeKo vorgesehen. Die Regelungen der RAB 30 (Regeln zum Arbeitsschutz auf Baustellen) liefern konkrete Hinweise zur Qualifikation und zu den Aufgaben des Koordinators.
Aufgaben eines SiGeKo auf der Baustelle
Schon in der Planungsphase muss der SiGeKo eng mit Architekten, Bauleitern und dem Bauherrn zusammenarbeiten. Er analysiert geplante Arbeitsprozesse, identifiziert potenzielle Risiken und schlägt passende Schutzmaßnahmen vor. Der sogenannte Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan (SiGe-Plan) bildet die Grundlage dieser Arbeit. Darin werden alle Gefahrenquellen dokumentiert und Lösungen zur Vermeidung festgelegt. Dazu gehören zum Beispiel Regelungen zur Verkehrsführung, Hinweise zu Absturzsicherungssystemen oder zum Umgang mit schwerem Gerät.
Während der Bauausführung überwacht der SiGeKo die Einhaltung der geplanten Schutzmaßnahmen. Er prüft Arbeitsbedingungen, stimmt sich regelmäßig mit den beteiligten Firmen ab und greift bei Änderungen im Bauablauf korrigierend ein. Dabei übernimmt er eine koordinierende Rolle, vermittelt zwischen verschiedenen Gewerken und sorgt für klare Informationswege. Seine Empfehlungen zielen auf einen reibungslosen Ablauf ab, bei dem Unfälle vermieden und unnötige Risiken früh erkannt werden.
Fachwissen und Position im Bauprojekt
Ein SiGeKo benötigt spezielles Wissen. Dieses setzt sich aus einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem Studium im Bauwesen, Berufserfahrung auf Baustellen und einer anerkannten Weiterbildung zur Sicherheitskoordination zusammen. Nur so kann er rechtliche und bautechnische Anforderungen verstehen und auf konkrete Situationen anwenden.
Im Projektverlauf ist der SiGeKo nicht weisungsbefugt, dennoch ist seine Einschätzung entscheidend. Seine Hinweise beeinflussen Bauabläufe, haben dokumentarisches Gewicht und können bei Verstößen sogar juristische Konsequenzen nach sich ziehen. Wird seine Rolle ignoriert, geraten Bauherren und Bauleiter schnell in eine rechtlich prekäre Lage.
Über 50 % der Baustellenunfälle wären vermeidbar
Laut Berufsgenossenschaftlichen Auswertungen sind mehr als die Hälfte aller Unfälle auf Baustellen auf mangelhafte Koordination und Planung zurückzuführen. Ein erfahrener SiGeKo trägt maßgeblich dazu bei, solche Risiken durch vorausschauende Planung und klare Kommunikation zu minimieren.
Typische Hürden in der Praxis
In vielen Projekten wird der SiGeKo zu spät eingebunden. Das ist problematisch, da in frühen Planungsphasen noch Spielräume bestehen, um Sicherheitsaspekte sinnvoll zu berücksichtigen. Später lassen sich diese nur schwer integrieren. Auch die fehlende Akzeptanz seiner Funktion erschwert die Arbeit: Manche Projektbeteiligte betrachten den Koordinator als lästige Pflicht – ein Irrtum, der teuer werden kann.
Wenn jedoch die Sicherheitskoordination ernst genommen wird und alle Beteiligten den SiGeKo einbinden, profitieren Bauprojekte davon deutlich. Die Baustelle wird geordneter geführt, Verzögerungen lassen sich vermeiden, Konflikte zwischen Gewerken werden reduziert. Darüber hinaus steigt die Qualität der Zusammenarbeit spürbar.
Der SiGe-Plan als Werkzeug der Organisation
Der SiGe-Plan ist das zentrale Arbeitsmittel des Koordinators. In ihm werden mögliche Gefährdungen und die dazugehörigen Schutzmaßnahmen dokumentiert. Er ist kein statisches Dokument, sondern wird regelmäßig angepasst – je nachdem, wie sich das Projekt entwickelt. Der Plan stellt sicher, dass alle auf der Baustelle Tätigen über ihre Pflichten informiert sind.
Ergänzend zum SiGe-Plan erstellt der Koordinator eine sogenannte „Unterlage für spätere Arbeiten“. Diese enthält Hinweise zu sicherheitsrelevanten Aspekten für Wartung und spätere Eingriffe am Bauwerk. Dadurch wird auch über das Ende der Bauzeit hinaus für mehr Schutz gesorgt.
Technische Entwicklungen und neue Wege in der Koordination
Die Digitalisierung verändert auch das Bauwesen. Neue Softwarelösungen, digitale Checklisten und cloudbasierte Bauakten ermöglichen eine transparente und schnelle Kommunikation. Der SiGeKo kann Informationen besser dokumentieren, Gefahren früh visualisieren und Beteiligte effizienter einbinden.
Die Integration in BIM-Prozesse (Building Information Modeling) ist besonders vielversprechend. Dadurch können sicherheitsrelevante Aspekte bereits in der virtuellen Modellierung berücksichtigt werden. Gefährdungen werden im digitalen Raum erkannt und behoben, noch bevor sie auf der Baustelle auftreten.
Ein SiGe-Plan ist kein statisches Dokument
Der SiGe-Plan muss regelmäßig aktualisiert werden – z. B. bei Änderungen im Bauablauf, bei zusätzlichen Gewerken oder neuen Gefährdungen. Viele Bauherren unterschätzen die Pflicht zur kontinuierlichen Pflege des Plans und riskieren dadurch Bußgelder oder sogar Haftung.
Fazit: Sicherheit braucht Struktur und vorausschauendes Handeln
Arbeitsschutz ist ein Grundpfeiler des Bauens. Der SiGeKo spielt dabei eine tragende Rolle. Durch seine Arbeit wird das Zusammenspiel der vielen Beteiligten geordnet, Risiken werden frühzeitig erkannt und gezielt reduziert. Statt reiner Kontrolle übernimmt der Koordinator eine gestaltende Aufgabe, die maßgeblich zur Stabilität des Baugeschehens beiträgt.
Seine Empfehlungen wirken sich nicht nur auf den Schutz der Beschäftigten aus. Sie beeinflussen auch das Zusammenspiel der Gewerke, die Organisation vor Ort und die Qualität der baulichen Umsetzung. Je besser der SiGeKo eingebunden ist, desto klarer sind die Abläufe. Strukturierte Baustellen schützen Menschenleben, schonen Ressourcen und stärken das Gelingen von Bauprojekten.