Wenn Unternehmen wachsen und Abläufe komplexer werden, steht die Sicherheit der Beschäftigten stärker im Fokus. Arbeitsunfälle, riskante Verhaltensweisen und übersehene Gefahrenquellen können schwerwiegende Folgen haben – für Menschen wie für den Betrieb selbst. Hier setzt die Rolle des Sicherheitsbeauftragten an. Dieser ist kein Vorgesetzter, sondern beobachtet, unterstützt und bringt Hinweise aus dem Arbeitsalltag ein. Seine Aufgabe ist im Regelwerk der gesetzlichen Unfallversicherung klar geregelt. Besonders die DGUV Vorschrift 1 beschreibt, wann, wie und warum jemand für diese Aufgabe benannt werden sollte. Dennoch wird die Funktion im betrieblichen Alltag oft übersehen oder unterschätzt.
Im weiteren Verlauf werden die wesentlichen Anforderungen dargestellt, die Unternehmen erfüllen müssen. Es wird aufgezeigt, welche Aufgaben auf die Sicherheitsbeauftragten zukommen und wie deren Einbindung gelingen kann. Auch die Grenzen der Tätigkeit finden Beachtung – denn nicht alles, was mit Sicherheit zu tun hat, fällt in ihren Verantwortungsbereich.
Rechtlicher Rahmen: Die DGUV Vorschrift 1 im Fokus
Die Vorschrift mit dem vollständigen Titel „Grundsätze der Prävention“ wird von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) herausgegeben. Sie stellt verbindliche Regeln für den Schutz der Gesundheit am Arbeitsplatz auf. In § 20 ist festgelegt, dass Betriebe dazu verpflichtet sind, Beschäftigte zu benennen, die sich speziell um sicherheitsbezogene Themen kümmern.
Die Regelung gilt für alle Unternehmen, die einer gesetzlichen Unfallversicherung zugeordnet sind. Entscheidend ist dabei nicht nur die Zahl der Angestellten, sondern auch die Tätigkeiten, die durchgeführt werden. Ab einer Größenordnung von etwa 20 Personen, insbesondere bei erhöhter Gefährdung durch Maschinen oder chemische Stoffe, wird die Benennung dringend empfohlen. Je nach Risiko steigt auch die Anzahl der empfohlenen Sicherheitsbeauftragten.
Kein Weisungsrecht – aber große Wirkung
Sicherheitsbeauftragte haben keine disziplinarische Weisungsbefugnis, wirken aber trotzdem entscheidend mit: Sie erkennen Sicherheitsmängel frühzeitig und helfen, Unfälle zu vermeiden – eine echte „Frühwarnfunktion“ im Betrieb.
Besonders praxisrelevant bei kleinen und mittleren Unternehmen, wo direkte Kommunikation oft wichtiger ist als formale Macht.
Bestellung und Voraussetzungen für Sicherheitsbeauftragte
Die formale Benennung erfolgt durch die Unternehmensleitung. Es ist sinnvoll, dies schriftlich festzuhalten, um Klarheit zu schaffen. Wichtig ist außerdem, dass die betroffene Person freiwillig bereit ist, diese Aufgabe zu übernehmen. Zwang oder Druck führen oft zu geringer Motivation – was dem Ziel der Maßnahme widerspricht.
Geeignet sind Mitarbeitende mit betrieblicher Erfahrung, einem Blick für ihre Umgebung und einem offenen Ohr für Kolleginnen und Kollegen. Eine bestimmte Ausbildung ist nicht erforderlich. Die Berufsgenossenschaften stellen in der Regel ein kostenfreies Schulungsangebot bereit, das Grundlagen vermittelt – von rechtlichen Fragen bis hin zu typischen Unfallursachen. Diese Schulungen sind praxisnah und bereiten gut auf die neue Verantwortung vor.
Rolle und Aufgaben im betrieblichen Alltag
Die tägliche Tätigkeit dreht sich darum, Sicherheitsrisiken zu erkennen und weiterzugeben. Sicherheitsbeauftragte achten auf die Arbeitsweise der Kolleginnen und Kollegen, sprechen bei Bedarf vorsichtig an, was verbessert werden kann, und informieren zuständige Stellen über Auffälligkeiten. Sie begleiten Begehungen, sind bei Unfallanalysen dabei und helfen mit, wenn Schutzmaßnahmen überprüft werden müssen.
Sie handeln beratend, nicht weisungsgebend. Sie treffen keine Anordnungen, sondern geben Hinweise. Ihre Perspektive ist wertvoll, weil sie aus der Nähe des Geschehens stammt. Während Vorgesetzte oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit einen eher systemischen Blick einnehmen, sind Sicherheitsbeauftragte im Alltag präsent. Sie hören Gespräche mit, sehen potenzielle Stolperfallen und kennen die informellen Abläufe am besten.
Schon ab 20 Beschäftigten Pflicht
Laut DGUV Vorschrift 1 (§ 20) muss ein Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden mindestens einen Sicherheitsbeauftragten bestellen, sobald erhöhte Gefährdungen bestehen – etwa durch Maschinen, chemische Stoffe oder häufige Kundenkontakte.
Viele Arbeitgeber unterschätzen diese Schwelle – bei Nichteinhaltung drohen im Ernstfall haftungsrechtliche Konsequenzen.
Abgrenzung zu anderen Akteuren im Arbeitsschutz
Die Rolle muss klar von anderen Positionen unterschieden werden. Fachkräfte für Arbeitssicherheit bringen tiefgehendes Fachwissen mit und erstellen zum Beispiel Gefährdungsbeurteilungen oder Betriebsanweisungen. Betriebsärzte kümmern sich um gesundheitliche Aspekte, während Betriebsräte Arbeitnehmerinteressen vertreten. Sicherheitsbeauftragte hingegen haben kein Mandat zur Mitbestimmung, sondern eine beobachtende Funktion mit beratender Stimme.
Die Zusammenarbeit mit anderen Stellen ist dennoch entscheidend. Hinweise aus der Belegschaft, die über Sicherheitsbeauftragte weitergeleitet werden, sind oft der erste Schritt zu konkreten Verbesserungen. Sie liefern Informationen, die anders nicht an die Oberfläche gelangen würden – insbesondere in größeren Betrieben oder dezentralen Strukturen.
Grenzen der Verantwortung und rechtlicher Schutz
Da es sich um eine zusätzliche Aufgabe handelt, die in der Regel neben der eigentlichen Tätigkeit ausgeübt wird, ist der Umfang begrenzt. Sicherheitsbeauftragte tragen keine persönliche Haftung für Unfälle. Ihre Aufgabe besteht darin, Auffälligkeiten zu benennen, nicht in letzter Konsequenz zu beseitigen. Die Verantwortung verbleibt bei der Führungsebene.
Der Gesetzgeber schützt diese Funktion vor Nachteilen. Niemand darf benachteiligt werden, weil er oder sie sich für Sicherheit am Arbeitsplatz engagiert. Im Gegenteil: Die Unterstützung durch den Arbeitgeber ist entscheidend für den Erfolg. Dazu gehören neben der Zeit für Schulungen auch Rückhalt bei schwierigen Situationen im Kollegenkreis.
Ausbildung ist kostenlos – durch die Unfallversicherung
Die Ausbildung zum Sicherheitsbeauftragten wird in der Regel von der Berufsgenossenschaft kostenlos angeboten – inklusive Schulungsmaterialien und ggf. Reisekostenerstattung.
Ein starker Anreiz für Arbeitgeber, Mitarbeitende zu motivieren – und ein echter Beitrag zur Betriebssicherheit ohne Zusatzkosten.
Fazit: Mehr Aufmerksamkeit für eine wertvolle Rolle
Die Aufgabe des Sicherheitsbeauftragten ist mehr als ein formaler Punkt auf einer Checkliste. Sie ist ein lebendiger Bestandteil der betrieblichen Schutzmaßnahmen – nah an der Praxis, auf Augenhöhe mit den Beschäftigten und mit einem klaren Blick für Risiken im Alltag. Die gesetzliche Regelung bietet einen soliden Rahmen, aber erst die konkrete Umsetzung macht den Unterschied.
In Unternehmen, die diese Rolle ernst nehmen, entstehen Arbeitsplätze, an denen Schutzmaßnahmen nicht nur auf dem Papier existieren. Hier wird Sicherheit nicht als Pflichtübung verstanden, sondern als Teil der Unternehmenskultur. Wer Sicherheitsbeauftragte auswählt, begleitet und wertschätzt, setzt ein deutliches Zeichen: für Verantwortung, für Vertrauen und für ein Arbeitsumfeld, in dem man gesund bleiben kann.